Die Stimme ist von allen Instrumenten das sensibelste. Nirgends sonst spiegeln sich emotionale Befindlichkeiten direkter: Angst, Aufregung, Unsicherheit - aber auch: Gelassenheit, Ruhe, Selbstvertrauen. Claudia Burkhard hat sich ihre Sicherheit verdient. War im Kontext der Close-Harmony-Arrangements ihrer früheren Zusammenarbeit mit den "Vocal Fruits" weniger Timbre, Volumen, individueller Ausdruck als vielmehr Genauigkeit, Unterordnung (bei vorzugsweise "kleiner Stimme") angesagt, hat sie im Duo mit Lars Hansen Raum, den sie ausfüllen muss...und kann. Wärme hatte ihre Stimme schon immer, jetzt klingt sie noch reifer, runder.

Spannend ist die Konstellation allemal. Ich würde mir ein Konzert der beiden schon unter dem Aspekt ansehen wollen, wie das denn funktionieren kann - zumal Lars Hansen nicht auf die "halbe Miete" eines voluminös tragenden Kontrabass-Sounds vertraut, sondern die Möglichkeiten des von ihm bevorzugten E-basses auslotet. Auch diese Bekenntnis erfordert Mut, wo neuerdings jeder im engeren Jazzkontext "acoustic upright" spielt und E-bassisten von Hannover bis Paris und New York kein Bein mehr an die Erde kriegen.
Lars Hansen, in seinen bisherigen Bandprojekten hauptsächlich durch Time, Technik, Ton und solistische Ideenvielfalt hervorgetreten, macht hier ein ganz neues Fass auf: Er begleitet mal percussiv, mal akkordisch - wenn er nicht die Melodie spielt oder soliert.
Was ich - zusätzlich zum ohnedies bewundernswerten Aspekt der außergewöhnlichen Duo-Bindung Stimme/E-bass - ganz bemerkenswert finde, sind die Abgeklärtheit und der Mut zur sekundären Einfachheit (das ist Einfachheit "von oben", vom Können her, die Selbstbeschränkung und Vereinfachung der Mittel, wie Miles Davis sie ins Lehrbuch des Jazz geschrieben hat).
In der Reduktion auf das Wesentliche kommen die Stücke zu sich selbst. Beide verfallen nicht der Versuchung, durch Sound-Opulenz und technische Zaubereien Lücken zu schließen, die sie (paradox) somit erst aufrissen.
In der Ruhe liegt die Kraft - oder anders ausgedrückt: Die Qualität zweier Töne wird auch und gerade bestimmt durch die Pause zwischen ihnen.

Lucius Mitchell, Jazz Podium

 

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